I de Nacht send si cho

Das Fremde zwischen Faszination und Angst

Zum ersten Mal realisiert der MTM-Theaterverein ein Stück unter der Regie von Ferdinand Ottiger, einem Regisseur mit langjähriger Erfahrung und grosser Leidenschaft für die Theaterwelt. «I de Nacht send sie cho» ist ursprünglich ein berndeutsches Stück, das 1977 in der Rampe in Bern uraufgeführt wurde: Fahrende gelangen inmitten der Nacht in ein Dorf, wo sie sich mit ihren Wohnwagen im Steinbruch ansiedeln. Dies löst umgehend Reaktionen aus: Während die einen fast ein wenig eifersüchtig mit dem romantischen, freien Leben der «Zigeuner» liebäugeln, blasen die anderen zum «Ansturm gegen das fremde Pack»!

So handeln die Szenen viel mehr von den Einwohnern jener Gemeinde und ihrem Verhalten in Anbetracht dieser ungewohnten Situation als von den Fahrenden selbst, die als solche gar nie auftreten… In dreizehn Bildern durchlebt der Zuschauer Aspekte der Faszination, der Angst, der Erleichterung, der Polemik, der Romantik, aber auch des Traums, des Vertrauens – und des Urteilens. Das Stück konfrontiert letztlich den Zuschauer mit sich selbst und mit dem, was ihm fremd ist.

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Unruhe im Dorf wegen Zigeunern

Das Theater "I de Nacht send sie cho" thematisiert den Umgang mit Fremden. Eine Entführung lässt Spannungen eskalieren.

Am Dorfrand beim Steinbruch einer Gemeinde haben Zigeuner, Fahrende oder wie man sie nennen will, ihre Wagen aufgestellt. Grund genug, das Dorf und seine Bewohner in Unruhe zu versetzen. Sämtliche Befürchtungen, aber auch Klischee-Vorstellungen und Träumereien kommen nach und nach ans Tageslicht Die stehlen, bringen Dreck und entführen Kinder, lamentieren die Erwachsenen, während die weiblichen Teenager ihren Sehnsüchten nach Zirkus- und Wohnwagen-Erlebnissen nachgehen. Sie lassen sich Karten legen und die Fahrenden lesen den Mädchen aus der Hand. Ab es ernst wirdJeder Dorfbewohner hat da so seine eigene Formel im Umgang mit den «Randständigen» gefunden: der um Toleranz bemühte Gemeindepräsident, die Frauen im Dorf, der Lehrer, der militante Polizeiwachmeister, seine menschenfreundliche Kollegin, der ehemalige Fremdenlegionär und sein Wirtshauskumpan. Da scheint plötzlich der «Ernstfall» einzutreten. Als der kleine Rolfli am Abend nicht mehr nach Hause kommt, wird den Zigeunern eine Entführung in die Schuhe geschoben und eine «Aktion» im Zigeunerlager inszeniert die allerdings zu keinem Resultat führt. Dafür ergeben sich ganz andere Erkenntnisse, die beweisen, dass «schwarze Schafe» auch im eigenen Lager zu finden sind. Uraufführung vor 30 JahrenRegisseur Ferdinand Ottiger hat den Dreiakter von Ernst Eggimann und Peter Leu in die Luzerner Mundart übertragen und vor einer Kulisse in Szene gesetzt, die an eine Filmleinwand erinnert. Das Theaterstück wurde 1977 in der Rampe in Bern uraufgeführt. Seither lag es in den Archiven. Doch die Thematik ist aktueller denn je. «In unserem Umkreis gibt es jedoch alle Schattierungen der Andersartigkeit" schreiben die Initianten in ihrer Theaterbroschüre. Schwarz-Weiss-Optik am Schluss16 Darstellerinnen und Darsteller des MTM Rothenburg (das Kürzel bedeutet Mitenand Theater mache) sind voller Elan in ihre Rollen geschlüpft, um die unterschiedlichen Vertreter des Dorflebens realitätsnah darzustellen.

Wenn der überraschende Schluss auch eine allzu krasse Schwarz-Weiss-Optik heraufbeschwört: Das Stück dürfte in Rothenburg Anlass geben zu lebhaften Diskussionen.

Eva Roelli

Neue Luzerner Zeitung, Montag vom 31. März 2008

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